Gesund führen möchte jede Führungskraft, oder? Es gibt sogar Untersuchungen, die genau das belegen. Danach möchten alle gefragten Führungskräfte den Job gut erledigen, leistungsfähige Menschen im Team haben und sie auch entsprechend fördern. Gesundes Führen ist eine Haltungssache. Davon bin ich fest überzeugt. Dennoch wissen viele Führungskräfte nicht, wie gesunde Führung geht, auch wenn sie gerne gesund führen wollen. Das liegt oft daran, dass sie im Laufe der eigenen Sozialisation (d.h. während der Kindheit) manche günstige Verhaltensweise nicht erlernt haben. Die Ursache liegt oftmals u.a. darin, dass bei vielen Menschen die Vorbilder fehlten. Aus diesen Gründen ist es so wichtig, dass Führungskräften konkrete „Werkzeuge“ nutzen, damit sie es schaffen eigene Teams gesund zu führen.

Die Tatsache, dass ein Führungsverhalten einen direkten Zusammenhang mit der Gesundheit der Mitarbeitenden hat, ist längst durch viele Studien bewiesen. Natürlich nimmt eine Führungskraft mit eigenem Verhalten am Arbeitsplatz nicht auf alle Gesundheitsbeschwerden Einfluss, aber doch auf manche. Eine Studie der AOK hat eindrücklich belegt, dass viele Rückenschmerzen oder psychische Leiden durch bestimmte Verhaltensweisen der Führungskräfte negativ beeinflusst werden können. In dieser Studie wurden über 10.000 Menschen nach Wohlbefinden und Verhalten der eigenen Führungskraft in verschiedenen Betrieben befragt. Dabei wurden spezifische Fragebögen verwendet, mit denen bestimmte Dimensionen des Führungsverhaltens erfasst wurden. Das Ergebnis war eindeutig: Es gab statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden und dem jeweiligen Führungsverhalten. Das Fazit der großangelegten Studie war: je besser das Betriebsklima, umso weniger Menschen leiden an Rückenschmerzen. Natürlich haben nicht alle Rückenbeschwerden diese Ursache und es gibt körperliches Leiden, das nicht mit dem Führungsverhalten zusammenhängt, dennoch spielen Körper und Psyche zusammen. Wenn in einem Team ein Angstklima herrscht, wenn eine Führungskraft immer wieder unüberlegt Kritik bspw. bei Fehlern verteilt, den Stresspegel durch straffe Deadlines erhöht und den Mitarbeitenden keine Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringt, dann arbeiten viele Menschen unter Stress, verspannen sich bei der Arbeit immer mehr und können dann durchaus Rückenschmerzen bekommen.

Wie können Führungskräfte gesundheitlichen Fehlentwicklungen entgegenwirken?

Wenn ich Führungskräfte-Seminare durchführe und über Lob und Wertschätzung am Arbeitsplatz mit den Führungskräften spreche, dann kommt unweigerlich irgendwann die Frage: „Frau Fichte, wie sollen wir die Mitarbeitenden kritisieren, damit sie es annehmen können?“.

Ich stelle dann eine Frage zurück: „Wie möchten Sie selbst kritisiert werden?“

In der Regel herrscht für einen Moment Ruhe im Saal und dann kommt mindestens eine Rückmeldung, die lautet „am besten gar nicht“.

Solche Rückmeldungen sind Standard. Wir Menschen möchten nicht hören, was wir alles falsch gemacht haben. Team-Mitglieder möchten von der Führungskraft hören, wie gut sie arbeiten und was sie richtiggemacht haben. Sie möchten insgesamt Wertschätzung und Anerkennung bekommen. Dennoch ist es natürlich wichtig, Menschen in Teams zu entwickeln. Das ist wiederum dann möglich, wenn über Verhaltensweisen gesprochen wird, die korrigiert bzw. weiterentwickelt werden sollen, um die Leistung am Arbeitsplatz insgesamt zu verbessern.

Aber wie kann eine Führungskraft eine gute, konstruktive Kritik üben, so dass Mitarbeitende sie auch akzeptieren?

Auch diese Frage, allerdings ein wenig verändert, stelle ich Führungskräften in Seminaren. Ich frage sie:

Wie soll Ihre Führungskraft sie kritisieren, damit Sie dessen Kritik annehmen?

Aus der eigenen Perspektive fällt es allen Menschen viel leichter eine Liste zu erstellen, wie eine konstruktive Kritik aussehen soll. Diese Liste, stelle ich Ihnen vor.

Eine gute konstruktive Kritik sollte Folgendes beachten:

  • Nicht schriftlich (per Email) oder am Telefon – sondern mutig „face-to-face“ im Gespräch (was auch digital möglich ist), damit ein Augenkontakt hergestellt werden kann, Reaktionen wahrgenommen werden können, die Kommunikation sofort (bei Störungen) verbessert und eine gute Beziehung aufgebaut bzw. aufrechterhalten werden
  • Nie in Gegenwart Dritter – sondern unter vier Augen, damit der Mitarbeitende sich nicht vorgeführt fühlt.
  • Nie mit Worten wie „immer“, „stets“/ „nie“ („Sie machen stets den gleichen Fehler“) – sondern grundsätzlich auf eine konkrete Situation bezogen bspw. „Mir ist gestern aufgefallen…“.
  • Evidenzbasiert und nicht allgemein (wie bspw. „Herr Müller, Sie sind immer zu spät“) – kritisiertes Verhalten muss am besten von der Führungskraft beobachtet worden sein und durch zwei oder mehr Beispiele belegt werden können.
  • Zeitnah – damit sich die Person an das kritisierte Verhalten erinnern und nachvollziehen kann, worum es konkret geht.
  • Niemals mehrere Kritikpunkte auf einmal – sondern maximal zwei oder am besten nur ein Thema in einem Gespräch anmerken.
  • Nie Kritik an der Person, sondern grundsätzlich am Verhalten (Nicht „Sie waren so unkonzentriert gestern“ – sondern „Gestern haben Sie die Aufgabe unkonzentriert bearbeitet.“)
  • Auf keinen Falls ironisch oder sarkastisch (bspw. „Sie haben schon wieder ganz konzentriert die Aufgabe bearbeitet und diesmal nur drei Fehler eingebaut. Ganz toll Frau Schmitz!“) – sondern auf die Sache bezogen. Dabei kann eine Führungskraft eigene Unzufriedenheit / Frust/ Sorgen thematisieren. Über eigene Emotionen zu sprechen macht jede Führungskraft menschlich.
  • Keine Vorwürfe – sondern Wünsche für die Zukunft formulieren (Anstatt „Was haben Sie sich dabei gedacht!“ – lieber „Ich wünsche mir, dass Sie in der Zukunft konzentrierter die Aufgaben bearbeiten.“)

Wenn Sie als Führungskraft nun denken, dass es reicht, diese Punkte einzuhalten und schon ist die „perfekte“ Kritik fertig, so darf ich Sie ein wenig enttäuschen. Diese Punkte sind wichtig und richtig. Dennoch wird das beste Werkzeug das Ziel verfehlen, wenn die Grundvoraussetzung für eine gute Kritik nicht erfüllt ist.

Was ist die Grundvoraussetzung für eine gute Kritik, fragen Sie sich vielleicht?

Stellen Sie sich vor, dass Ihre eigene Führungskraft, die Sie weder mögen noch akzeptieren, eine tolle Kritik übt, die alle diese Punkte beinhaltet. Wird solche Kritik dadurch besser? Werden Sie diese ohne den inneren (oder sogar äußeren) Widerstand annehmen?

Es sind fast rhetorische Fragen, oder? Wie man es „auf Deutsch sagt“: der Ton macht die Musik. Und der „Ton“ steht sehr häufig im engen Zusammenhang mit der Beziehung, die eine Führungskraft zu den eigenen Mitarbeitenden hat. Ist die Beziehung gut, so wird Kritik eher akzeptiert, denn die Team-Mitglieder haben keine Angst bzw. wissen, dass die Führungskraft sie grundsätzlich schätzt und die Arbeit gut findet. Fehlt eine gute Beziehung zu den Mitarbeitenden, so wird jegliche Kritik, egal wie gut und gekonnt sie vorgetragen wird, eher auf Widerstand stoßen.

Eine gute Beziehung zu den Mitarbeitenden, Fokus auf die gut erbrachten Leistungen, das Zeigen von Anerkennung und Wertschätzung jeden Tag, das sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Kritik. Gepaart mit einem guten Handwerk erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass Kritik angenommen wird.

Als Führungskraft arbeiten Sie tagtäglich mit Ihrem Team, was wiederum bedeutet, dass sie jeden Tag die Chance haben, eine gute Beziehung untereinander aufzubauen und diese zu pflegen. Es ist nicht immer leicht. Ihre Teammitglieder sind auch nicht immer Sympathieträger oder Seelenverwandte. Es ist manchmal harte Arbeit, aber sie lohnt sich.

Die guten Beziehungen machen es Ihnen leichter Teams gut und gesund zu führen und sie zu entwickeln. Auch wenn dies bedeutet, dass manchmal auch Kritikgespräche geführt werden. Diese werden aber dann mit viel höherer Wahrscheinlichkeit akzeptiert und gemeinsam vereinbarte Veränderungen dann auch umgesetzt werden.

Und genau das wünsche ich Ihnen vom Herzen: gute Beziehungen zu Ihren Team-Mitgliedern und auch konstruktive, gekonnte und somit gute Kritikgespräche. Viel Erfolg dabei und bleiben Sie selbst gesund und neugierig und bleiben Sie auch uns mit Ihrem Interesse an neuen Themen und Perspektiven stets erhalten.

Ludwika